Kritik an KI-Kunst geht am Problem vorbei

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Foto auf dem in Tielen Artbooks von "Tales of Symphonia", "Spiral", "Gundam Wing" und "Ranma 1/2" zu sehen sind.
© Nishi Trade e. V.

KI-Kunst ist eine coole Sache. Leute spielen damit herum oder erzeugen Bilder für ihre eigenen Projekte. Dass das einige Künstlerinnen und Künstler erzürnen würde, war abzusehen. Doch die Forderung, dass Leute aufhören sollen mittels Künstlicher Intelligenz generierte Kunst zu benutzen, ist weltfremd. Technischer Fortschritt lässt sich nicht aufhalten und KI kann Kunst schnell und kostengünstig erzeugen. Das macht es für Unternehmen, Vereine, Einzelpersonen, usw. so attraktiv, sie zu nutzen. Auch wenn aktuell noch viele rechtliche Fragen offen sind, wie z. B. welche Daten KIs überhaupt zum Lernen nutzen dürfen, so ist diese Technologie inzwischen Teil unseres Alltags und wird dort auch nicht mehr zurückzudrängen sein. Der daraus resultierenden veränderten Arbeitswelt müssen sich die Künstlerinnen und Künstler anpassen. Es verkennt die Realität, wenn man „Die Erfindung des Fotoapparats schadet den Malern und das Gebäude, was fotografiert wurde, hat jemand anderes entworfen und gebaut.“-Diskussionen führt. Dass sich Berufe verändern, mitunter auch aussterben, ist eine Entwicklung, die zwangsläufig mit jedem Fortschritt vonstattengeht. Daher wäre es sinnvoller, die Arbeitsbedingungen der Künstler in den Blick zu nehmen, wenn man ihre Situation verbessern möchte.

 

Wunschtraum vs. Realität

Ein Hobby zum Beruf zu machen, ist ein Wunsch, den sehr viele Menschen haben. Die Aussicht darauf, keinen über sich zu haben, der über die eigene Arbeitszeit, -weise, -bedingungen bestimmt und zudem einem Arbeiten zuweist, sodass man eben sehr fremdbestimmt in dem eigenen Alltag ist, sind Gründe, warum sich auch viele dazu entscheiden, als Künstler selbstständig zu sein und nicht in einem klassisches Angestelltenverhältnis zu arbeiten. Das geht jedoch einher mit finanziellen Unsicherheiten, da man sich eben nicht darauf verlassen kann, dass am Monatsende eine bestimmte Geldsumme auf dem eigenen Konto erscheint. Verstärkend kommt hinzu, dass künstlerische Berufe generell sehr umkämpft sind. Es gibt sehr viel mehr Menschen, die als Künstler arbeiten möchten, als es Bedarf an ihnen gibt. Wenn zu viele Arbeiter auf zu wenig vorhandene Arbeit treffen, öffnet das einem Unterbietungswettbewerb bei Löhnen und Arbeitsbedingungen Tür und Tor. Außerdem stehen sie auch in einem Konkurrenzverhältnis um das Geld ihrer Kunden.

Auf diese ohnehin schon prekäre Lage trifft nun die KI als ein weiterer Konkurrent um bezahlte Arbeit. Dass das bei dieser Berufsgruppe Existenzängste auslöst bzw. schon vorhandene verstärkt und manches im Kopf schon gebaute Luftschloss von einer gut laufenden Karriere zerstört, ist nicht verwunderlich. KI-Kunst zu verteufeln und andere moralisch abzuwerten, die sie benutzen, wird jedoch deren Weiterverbreitung nicht aufhalten und nichts an der schlechten Arbeitssituation von Künstlerinnen und Künstlern ändern.

 

Verengter Blick

Was man auch nicht übersehen sollte ist, welche Möglichkeiten sich durch KI-Kunst für andere Bereiche eröffnen. Sich selbstständig zu machen oder ein Hobby-Projekt zu starten, ist immer eine Herausforderung und erfordert oftmals Geld am Anfang. Aufgrund dessen sind die Chancen, wer zu so etwas überhaupt die Möglichkeit hat, in unserer Gesellschaft sehr ungleich verteilt. KI trägt hier zu einer Demokratisierung bei, da es eine kostengünstig nutzbare Technologie ist. Auch Leute ohne viel Vorerfahrung und Übung können mit ihr z. B. Logos, Werbebilder, Charakterzeichnungen und andere Bilder erzeugen. Nur ein Beispiel: sie hilft u. a. denjenigen, die Videospiele erstellen möchten, zwar Kenntnisse über Spielmechaniken und Programmiererfahrung haben, aber nicht zeichnen können und auch nicht die finanziellen Möglichkeiten haben, einen Künstler zu beauftragen.

Es greift zu kurz, über KI-Kunst zu reden und dann nur darauf zu gucken, welche Konsequenzen sie für Zeichner und Grafikerinnen hat. Die viel entscheidenderen Debatten sind hier: Wie kann sichergestellt werden, dass (technischer) Fortschritt nicht zu Armut und Arbeitslosigkeit derjenigen führt, deren Beruf am Status Quo hängt? Wie können wir Lohndumping verhindern, wenn es ein Überangebot an verfügbaren Arbeiterinnen und Arbeitern gibt, die einen Beruf ausüben möchten? Wie können wir Machtstrukturen in Unternehmen verändern, sodass Leute selbstbestimmter arbeiten können und Angestelltenverhältnisse wieder beliebter werden?

 

Luftschlösser für alle

Das sind alles politische Fragen, die ich hier nun aufgemacht habe und das ist die Ebene, auf der wir reden müssen. Alles, was sich um das Thema Arbeit dreht, ist hochpolitisch und da werden auch die gnadenlosesten Verteilungskämpfe geführt, wie man kürzlich erst wieder bei den Streiks der GDL sehen konnte. Wohlgemerkt wurden dabei u. a. kürzere Arbeitszeiten bei gleichbleibendem Lohn erstritten, sodass die Leute mehr Zeit für ihre Hobbies haben. Es ist ein flächendeckendes Problem, dass Leute mit ihrer 40-Stunden-Arbeitswoche, dann vielleicht noch Kinderbetreuung und Angehörige pflegen, abends nur noch die Kraft dafür haben, sich etwas vor den Fernseher zu setzen, dann erschöpft ins Bett fallen und kaum Zeit für etwas anderes bleibt.

Möchte man die Situation für Künstlerinnen und Künstler im Allgemeinen verbessern und sie unterstützen, muss man sich politisch engagieren. Dinge wie z. B. geringe Mieten, hohes Arbeitslosengeld, Gesetze gegen Überstunden, Verringerungen der Wochenarbeitszeit und Kündigungsschutz ermöglichen auch ihnen ein besseres Leben. Gerade Videospielfirmen, die von einem Tag auf den anderen plötzlich mehrere hundert Mitarbeiter entlassen, während sie vorher noch eine andere Firma aufkauften, könnten z. B. mal einen Betriebsrat vertragen, der bei solchen Firmenentscheidungen mitredet.